BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – VII ZR 193/15
BGB §§ 634, 637, 281, 280 Abs. 1
a) Der Besteller kann Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen.
b) Der Besteller kann berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die (Nach-) Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Allein das Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme genügt dafür nicht. In diesem Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis dagegen, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen.
Tatbestand:
Soweit für die Revision von Interesse macht der Beklagte zu 2 widerklagend einen Kostenvorschuss für Mängelbeseitigungsarbeiten an einer Terrasse geltend.
Dem liegt der Bauvertrag vom 2./4. April 2008 über Terrassen- und Maurerarbeiten zwischen den Parteien zugrunde. Die zu verwendenden Platten für die Terrassenanlage sollten mit einer Spezialimprägnierung (“Clean Top”) versehen sein, zudem sollten sogenannte “Lichtpunkte” in die Pflasterung eingebaut werden.
Trotz dreier Nachbesserungsversuche gelang es der Klägerin nicht, die Arbeiten vertragsgerecht herzustellen. Zu einer Abnahme kam es nicht. Vielmehr lehnten die beklagten Eheleute mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 weitere Nachbesserungsversuche ab, verbunden mit dem Wunsch, das Vertragsverhältnis endgültig zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt waren von ihnen bereits 25.000 € als Abschlag gezahlt worden. Unter dem 9. Dezember 2010 übersandte die Klägerin ihre Schlussrechnung über weitere 23.796,08 €. Die Beklagten verweigerten unter Hinweis auf erhebliche Mängel, die letztlich dazu führten, dass die Terrasse mit einem Aufwand von mindestens 41.013,60 € neu verlegt werden müsse, die Zahlung.
Die Klägerin hat mit der Klage Zahlung von 23.796,08 € von den Beklagten als Gesamtschuldnern begehrt, hilfsweise Zug um Zug gegen Beseitigung von Zementschleiern und Verfärbungen im Terrassenbelag. Der Beklagte zu 2 hat aus eigenem und abgetretenem Recht der Beklagten zu 1 widerklagend einen Kostenvorschuss in Höhe von 20.000 € verlangt. Für den Fall der Klageabweisung hat er Zahlung weiterer 5.000 € begehrt.
Das Landgericht hat die Klage gegen beide Beklagte abgewiesen und der Widerklage und Eventualwiderklage des Beklagten zu 2 in vollem Umfang stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen mit der Begründung, höchstrichterlich sei bislang ungeklärt, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen vor Abnahme einer Werkleistung der Besteller Ansprüche aus den §§ 633 ff. BGB geltend machen könne. Die Klägerin hat gegen die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich der Wider- und Eventualwiderklage Revision mit dem Ziel eingelegt, die Abweisung der Widerklage zu erreichen. Den Klageanspruch verfolgt sie in der Revision nicht mehr weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Recht die Klage einschließlich der Hilfsanträge abgewiesen und der Widerklage und Eventualwiderklage stattgegeben.
Ein etwaiger Werklohnanspruch der Klägerin sei jedenfalls nicht fällig. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Werkleistung der Klägerin ganz erhebliche Mängel aufweise und das Werk trotz verschiedener Nachbesserungsversuche der Klägerin, die an sich gescheiterte Herstellungsversuche gewesen seien, nicht abnahmefähig sei. Es sei nicht damit getan, Zementschleier und Verfärbungen im Terrassenbelag zu beseitigen. Vielmehr müsse die gesamte Terrassenanlage abgerissen und komplett neu verlegt werden. Nach den
Feststellungen des Sachverständigen weise die Terrasse zur Mitte hin eine Absackung auf; die Zuleitungen für die in den Plattenbelag eingebauten Lichtpunkte (LED-Leuchten) seien nicht in Leerrohren (Kabelschutzrohren) verlegt, sondern in der Zementmörtelschicht. Es entspreche aber der üblichen Beschaffenheit, derartige Stromleitungen in Leerrohren zu verlegen, bestehe doch ansonsten die Gefahr, dass beim Auswechseln einzelner Leuchten die elektrische Zuleitung reiße. Der maßgebliche Mangel betreffe aber die “Clean Top”-Beschichtung. Der “Clean Top”-Effekt sei bei den untersuchten Terrassenplatten deutlich vermindert. Dieser vertraglich geschuldete Effekt sei nachträglich nicht wieder herzustellen.
Es liege kein Abrechnungsverhältnis vor, bei dem es auf eine Abnahme nicht ankäme. Die Klägerin sei nach ihrem eigenen Vorbringen noch erfüllungsbereit; der Beklagte zu 2 andererseits mache Schadensersatzansprüche nicht geltend.
Dem Beklagten zu 2 stehe der im Wege der (Eventual-)Widerklage geltend gemachte Anspruch auf einen Mängelbeseitigungskostenvorschuss aus § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu. Zwar griffen die §§ 634 ff. BGB “an sich” erst ein, wenn das fertiggestellte und abgenommene Werk mangelhaft sei. Die Frage, ob ein Vorschussanspruch auch vor Abnahme bestehe, sei nicht unbestritten, werde aber für bestimmte Ausnahmefälle von einer im Vordringen befindlichen Auffassung, der sich das Berufungsgericht anschließe, bejaht. Einer dieser Ausnahmefälle liege vor, wenn der Unternehmer ein aus seiner Sicht fertiggestelltes und mangelfreies Werk abliefere, der Besteller jedoch wegen Mängeln zu Recht die Abnahme des Werks verweigere und offensichtlich sei, dass der Unternehmer die Mängel nicht mehr beseitigen werde beziehungsweise nicht gewillt sei, die notwendigen Mängelbeseitigungsmaßnahmen zu ergreifen. So liege es hier; die von der Klägerin angebotene Mängelbeseitigung sei offensichtlich unzulänglich. Die Beklagten beziehungsweise der Beklagte zu 2 habe der Klägerin auch keine Nacherfüllungsfrist nach § 637 BGB setzen müssen. Die Klägerin habe unstreitig mehrfach vergeblich versucht, einen ordnungsgemäßen Terrassenbelag zu erstellen. Ihr Angebot zur Beseitigung von Zementschleiern und Verfärbungen sei ersichtlich unbehelflich.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der Begründung und den Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Anspruch des Beklagten zu 2 auf Zahlung von insgesamt 25.000 € nicht bejaht werden.
1. Die Beklagte zu 1 ist nicht Partei des Revisionsverfahrens geworden.
a) Aus der Begründung des Berufungsgerichts ergibt sich, dass das Berufungsgericht die Revision nur im Hinblick auf die mit der Wider- und Eventualwiderklage geltend gemachte Forderung des Beklagten zu 2, die einen rechtlich und tatsächlich abgrenzbaren Teil des Gesamtstreitstoffs betrifft und auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte, zulassen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 – VII ZR 201/15 Rn. 13, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Urteil vom 5. Juni 2014 – VII ZR 152/13, ZfBR 2014, 671 Rn. 33; Beschluss vom 10. Februar 2011 – VII ZR 71/10, NZBau 2011, 354 Rn. 11; jeweils m.w.N.).
b) Der Senat legt die Revisionsschrift in Zusammenschau mit der Revisionsbegründung dahingehend aus, dass die Klägerin Revision nur insoweit einlegen wollte, als diese durch das Berufungsgericht zugelassen worden ist. Die durch die Klägerin erklärte Rücknahme der Revision gegen die Beklagte zu 1 in der Revisionsbegründung vom 18. November 2015 geht damit ins Leere.
2.
a) Das Berufungsgericht hat zunächst rechtsfehlerfrei angenommen, dass die durch die Klägerin erstellte Terrassenanlage ganz erhebliche Mängel aufweist und deshalb nicht abnahmefähig ist. Das wird von der Revision nicht angegriffen.
b) Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten bzw. der Beklagte zu 2 hätte der Klägerin keine weitere Nacherfüllungsfrist setzen müssen, da die Klägerin mehrfach vergeblich versucht habe, einen ordnungsgemäßen Terrassenbelag herzustellen, und dass ihr Angebot zur Mängelbeseitigung unbehelflich sei. Die dagegen gerichteten Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.
3. Von einem Rechtsfehler beeinflusst ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 2 habe einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses von 25.000 € aus § 634 Nr. 2 BGB, § 637 Abs. 3 BGB für die Kosten der Mängelbeseitigung bereits vor Abnahme des Werks.
a) Bei Werkverträgen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138, im Folgenden: Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) geschlossen wurden, setzten die Ansprüche des Bestellers gemäß §§ 633 ff. BGB a.F. nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Abnahme nicht voraus. Vor der Abnahme standen diese Ansprüche und Ansprüche nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht nebeneinander (vgl. BGH, Urteile vom 16. November 1993 – X ZR 7/92, BauR 1994, 242, 244, juris Rn. 21; vom 2. November 1995 – X ZR 93/93, juris Rn. 22; vom 27. Februar 1996 – X ZR 3/94, BGHZ 132, 96, 100 f., 102 f., juris Rn. 10 und 15; vom 26. September 1996 – X ZR 33/94, NJW 1997, 50, juris Rn. 12; vom 4. Dezember 1997 – IX ZR 247/96, BauR 1998, 332, 334, juris Rn. 14; vom 25. Juni 2002 – X ZR 78/00, juris Rn. 7; vom 14. Januar 2016 – VII ZR 271/14, BauR 2016, 852 Rn. 33 = NZBau 2016, 304).
Den Regelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ist ebenso wenig wie den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 261 ff.) eine ausdrückliche Aussage dazu, ab welchem Zeitpunkt die Mängelrechte aus § 634 BGB Anwendung finden, zu entnehmen.
Die Frage, ob die Mängelrechte aus § 634 BGB vom Besteller schon vor Abnahme geltend gemacht werden können, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten (vgl. zum Streitstand: Jordan, Der zeitliche Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und der besonderen Gewährleistungsrechte beim Kauf-, Werk- und Mietvertrag, 2015, S. 129 ff.; K. Jansen, Die Mangelrechte des Bestellers im BGB-Werkvertrag vor Abnahme, 2010, S. 35 ff.).
Der Senat hat diese Frage bislang ausdrücklich offen gelassen (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juli 2010 – VII ZR 171/08, BauR 2010, 1778 Rn. 28 = NZBau 2010, 768; vom 24. Februar 2011 – VII ZR 61/10, BauR 2011, 1032 Rn. 17 a.E. = NZBau 2011, 310; vom 6. Juni 2013 – VII ZR 355/12, NJW 2013, 3022 Rn. 16; vom 25. Februar 2016 – VII ZR 49/15 Rn. 41, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Es entspricht aber der Rechtsprechung des Senats, dass im Grundsatz die Abnahme des Werks den maßgebenden Zeitpunkt markiert, ab dem die Mängelrechte des Bestellers aus § 634 BGB eingreifen (BGH, Urteile vom 6. Juni 2013 – VII ZR 355/12, aaO; vom 25. Februar 2016 – VII ZR 49/15, aaO).
b) aa) Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass die Mängelrechte aus § 634 BGB bereits vor Abnahme bestehen. Einige wollen dabei diese Mängelrechte schon während der Herstellung gewähren (Vorwerk, BauR 2003, 1, 10 f.; Weise, NJW-Spezial 2008, 76 f.; BeckOK VOB/B/Fuchs, Stand: 1. Juli 2016, § 4 Abs. 7 Rn. 2; OLG Brandenburg, NJW-RR 2011, 603, 604, juris Rn. 8). Andere knüpfen an die Fälligkeit der Werkleistung an (Kapellmann/ Messerschmidt/Weyer, VOB Teile A und B, 5. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 6; Merl in Kleine-Möller/Merl/Glöckner, Handbuch des privaten Baurechts, 5. Aufl., § 15 Rn. 317 f.; Sienz, BauR 2002, 181, 184 f.; Jordan, Der zeitliche Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und der besonderen Gewährleistungsrechte beim Kauf-, Werk- und Mietvertrag, 2015, S. 133 ff., 178; Fuchs in Englert/Motzke/Wirth, Baukommentar, 2. Aufl., § 634 BGB Rn. 5 f.; wohl auch Schwenker in Erman, BGB, 14. Aufl., § 634 Rn. 1 mit § 633 Rn. 21 f.). Einige Stimmen im Schrifttum wollen Mängelrechte aus § 634 BGB gewähren, sobald der Unternehmer das Werk hergestellt hat (MünchKommBGB/Busche, 6. Aufl., § 634 Rn. 3 f.; Ott in Festschrift für Merle, 2010, S. 277, 286 f.).
bb) Der überwiegende Teil der Literatur sowie der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung hält grundsätzlich die Abnahme für das Entstehen der Mängelrechte aus § 634 BGB für erforderlich, will dem Besteller diese Rechte unter bestimmten Umständen aber auch ohne Abnahme zubilligen. Eine solche Ausnahme wird etwa angenommen, wenn der Unternehmer das Werk hergestellt hat und der Besteller die Abnahme wegen Mängeln zu Recht verweigert (vgl. OLG Celle, BauR 2016, 1504, 1509 f., juris Rn. 68 ff.; OLG Brandenburg, Urteil vom 22. Dezember 2015 – 4 U 26/12, juris Rn. 59 f.; OLG Hamm, BauR 2016, 677, 684, juris Rn. 90 = NZBau 2015, 480; OLG Stuttgart, Urteil vom 25. Februar 2015 – 4 U 114/14, juris Rn. 96 ff.; OLG Hamm, BauR 2015, 1861, 1863, juris Rn. 45 = NZBau 2015, 155; OLG Köln, NZBau 2013, 306, 307; Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., Vor § 633 Rn. 7; Messerschmidt/Voit/ Drossart, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 634 BGB Rn. 3 f.; BeckOGK/Kober, BGB, Stand: 1. November 2016, § 634 Rn. 32 f.; Folnovic, BauR 2008, 1360, 1363 f.; BeckOK BGB/Voit, Stand: 1. Februar 2015, § 634 Rn. 3, 23; Beck’scher VOB/B-Kommentar/Kohler, 3. Aufl., § 4 Abs. 7 Rn. 6; Voit, BauR 2011, 1063, 1072 f.; Kniffka/Krause-Allenstein, Bauvertragsrecht, 2. Aufl., § 634 Rn. 9 ff.).
cc) Andere Stimmen in Schrifttum und Rechtsprechung gehen hingegen davon aus, dass Mängelrechte vor Abnahme auch nach Herstellung des Werks und bei berechtigter Abnahmeverweigerung durch den Besteller ausgeschlossen sind (vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, 2014, BGB, § 634 Rn. 11; Joussen, BauR 2009, 319, 323 ff.; K. Jansen, Die Mangelrechte des Bestellers im BGBWerkvertrag vor Abnahme, 2010, S. 75-77; Hutter, Die Mängelhaftung vor und nach der Abnahme im österreichischen und deutschen Bauvertrag, 2013, S. 210 ff., 218; Jauernig/Mansel, BGB, 16. Aufl., § 634 Rn. 3).
c) Der Senat entscheidet nunmehr, dass der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen kann. Soweit sich aus den Entscheidungen vom 11. Oktober 2012 (VII ZR 179/11 und VII ZR 180/11, BauR 2013, 81 = NZBau 2013, 99 und juris) etwas anderes ergeben könnte, hält der Senat daran nicht fest. Das beruht auf folgenden Erwägungen:
aa) Ob ein Werk mangelfrei ist, beurteilt sich grundsätzlich im Zeitpunkt der Abnahme. Bis zur Abnahme kann der Unternehmer grundsätzlich frei wählen, wie er den Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung aus § 631 Abs. 1 BGB erfüllt. Könnte der Besteller bereits während der Herstellungsphase Mängelrechte aus § 634 BGB geltend machen, kann das mit einem Eingriff in dieses Recht des Unternehmers verbunden sein. Allerdings stehen dem Besteller in der Herstellungsphase Erfüllungsansprüche und Rechte des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zur Verfügung, die unter Umständen schon vor Fälligkeit bestehen können, wie § 323 Abs. 4 BGB zeigt.
bb) Bereits der Begriff “Nacherfüllung” in § 634 Nr. 1, § 635 BGB spricht dafür, dass die Rechte aus § 634 BGB erst nach der Herstellung zum Tragen kommen sollen. Die Erfüllung des Herstellungsanspruchs aus § 631 Abs. 1 BGB tritt bei einer Werkleistung regelmäßig mit der Abnahme ein, § 640 Abs. 1 BGB, so dass erst nach Abnahme von “Nacherfüllung” gesprochen werden kann.
cc) Aus dem nur für den Nacherfüllungsanspruch geltenden § 635 Abs. 3 BGB folgt, dass zwischen dem auf Herstellung gerichteten Anspruch aus § 631 Abs. 1 BGB und dem Nacherfüllungsanspruch Unterschiede bestehen. § 635 Abs. 3 BGB eröffnet dem Unternehmer bei der geschuldeten Nacherfüllung nach § 634 Nr. 1 BGB weitergehende Rechte als § 275 Abs. 2 und 3 BGB. Herstellungsanspruch und Nacherfüllungsanspruch können demnach nicht nebeneinander bestehen.
dd) Dafür, dass die Abnahme die Zäsur zwischen Erfüllungsstadium und der Phase darstellt, in der anstelle des Herstellungsanspruchs Mängelrechte nach § 634 BGB geltend gemacht werden können, spricht zum einen die Regelung in § 634a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB, wonach die Verjährung von Mängelrechten in den meisten Fällen mit der Abnahme beginnt. Zum anderen stellt die Abnahme auch im Übrigen eine Zäsur dar, da mit ihr die Fälligkeit des Werklohns eintritt (§ 641 Abs. 1 BGB), die Leistungsgefahr auf den Besteller übergeht (§ 644 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln sich umkehrt, soweit kein Vorbehalt nach § 640 Abs. 2 BGB erklärt wird.
ee) Die Auslegung der werkvertraglichen Vorschriften dahingehend, dass dem Besteller die Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme zustehen, führt zudem zu einem interessengerechten Ergebnis.
(1) Vor der Abnahme steht dem Besteller der Herstellungsanspruch nach § 631 Abs. 1 BGB zu, der ebenso wie der Anspruch auf Nacherfüllung aus § 634 Nr. 1 BGB die mangelfreie Herstellung des Werks zum Ziel hat. Der Besteller kann diesen Anspruch einklagen und, falls notwendig, im Regelfall nach § 887 ZPO vollstrecken.
Die Gefahr des zufälligen Untergangs des Werks verbleibt beim Unternehmer, der Werklohn wird nicht fällig und die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln geht nicht auf den Besteller über, solange er den Herstellungsanspruch nach § 631 Abs. 1 BGB geltend macht.
(2) Die Interessen des Bestellers sind durch die ihm vor der Abnahme aufgrund des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zustehenden Rechte angemessen gewahrt: etwa Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB, Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281, 280 BGB, Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung, § 280 Abs. 2, § 286 BGB, Rücktritt nach § 323 BGB oder Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend § 314 BGB.
Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 281 Abs. 1 BGB ist zwar anders als die Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 und 3 BGB
verschuldensabhängig (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine den Schadensersatzanspruch begründende Pflichtverletzung liegt aber auch vor, wenn der Unternehmer die Frist aus § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB verstreichen lässt (vgl. zum Kaufrecht: BGH, Urteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 Rn. 12; Urteil vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 11 ff.).
Der Besteller hat hiernach die Wahl, ob er die Rechte aus dem Erfüllungsstadium oder aber die grundsätzlich eine Abnahme voraussetzenden Mängelrechte aus § 634 BGB geltend macht. Ein faktischer Zwang des Bestellers zur Erklärung der Abnahme für ein objektiv nicht abnahmefähiges Werk besteht damit entgegen verbreiteter Meinung nicht. Im Übrigen wird der Besteller, der eine Abnahme unter Mängelvorbehalt erklärt, über § 640 Abs. 2, § 641 Abs. 3 BGB geschützt.
4. Das Berufungsurteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Die Abnahme ist nach den bisherigen Feststellungen nicht entbehrlich.
a) Der Besteller kann allerdings in bestimmten Fällen berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen. Das ist zu bejahen, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Macht der Besteller gegenüber dem Unternehmer nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend oder erklärt er die Minderung des Werklohns, so findet nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum alten Schuldrecht eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 – VII ZR 146/04, BGHZ 167, 345 Rn. 26; Urteil vom 10. Oktober 2002 – VII ZR 315/01, BauR 2003, 88, 89, juris Rn. 11 = NZBau 2003, 35; Urteil vom 16. Mai 2002 – VII ZR 479/00, BauR 2002, 1399, 1400, juris Rn. 13; jeweils m.w.N.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes jedenfalls für den Fall fest, dass der Unternehmer das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet. Verlangt der Besteller Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1, § 280 Abs. 1 BGB, ist der Anspruch auf die Leistung nach § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen. Nichts anderes gilt, wenn der Besteller im Wege der Minderung nur noch eine Herabsetzung des Werklohns erreichen will. Auch in diesem Fall geht es ihm nicht mehr um den Anspruch auf die Leistung und damit um die Erfüllung des Vertrags (BGH, Urteile vom 19. Januar 2017 – VII ZR 235/15 und VII ZR 301/13, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
b) aa) Verlangt dagegen der Besteller nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, 3 BGB einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels im Wege der Selbstvornahme erforderlichen Aufwendungen, erlischt der Erfüllungsanspruch des Bestellers nicht. Denn das Recht zur Selbstvornahme und der Anspruch auf Kostenvorschuss lassen den Erfüllungsanspruch (§ 631 BGB) und den Nacherfüllungsanspruch (§ 634 Nr. 1 BGB) unberührt. Der Besteller ist berechtigt, auch nach einem Kostenvorschussverlangen den (Nach-)Erfüllungsanspruch geltend zu machen (vgl. OLG Stuttgart, BauR 2012, 1961, 1962 f., juris Rn. 56 = NZBau 2012, 771; Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 634 Rn. 4; Messerschmidt/ Voit/Drossart, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 634 BGB Rn. 16, 45; Staudinger/ Peters/Jacoby, 2014, BGB, § 634 Rn. 73).
bb) Ausnahmsweise kann die Forderung des Bestellers, ihm einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen zu zahlen, zu einem Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis führen, wenn der Besteller den (Nach-)Erfüllungsanspruch aus anderen Gründen nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann. Das ist etwa der Fall, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung durch ihn ablehnt, selbst für den Fall, dass die Selbstvornahme nicht zu einer mangelfreien Herstellung des Werks führt. In dieser Konstellation kann der Besteller nicht mehr zum (Nach-)Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer zurückkehren. Weil die verbleibenden Rechte des Bestellers damit ausschließlich auf Geld gerichtet sind, entsteht ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis, in dessen Rahmen die Rechte aus § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteile vom 19. Januar 2017 – VII ZR 235/15 und VII ZR 301/13, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
c) Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts liegt ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis nicht vor.
aa) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass kein Abrechnungsverhältnis vorliegt. Dies wird von der Revision nicht angegriffen; revisionsrechtlich relevante Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
bb) Den Feststellungen kann zudem nicht entnommen werden, ob das Verhalten des Beklagten zu 2, insbesondere die Erklärung im Schreiben vom 30. Oktober 2008, so ausgelegt werden kann, dass er nicht nur die klägerseits konkret angebotenen Arbeiten, sondern endgültig weitere (Nach-) Erfüllungsarbeiten der Klägerin nicht mehr dulden werde.
III.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.