Ausschlussfrist wegen Selbssttötung beginnt auch bei einer Vertragsverlängerung neu zu laufen


OLG Saarbrücken Urteil vom 30.5.2007, 5 U 704/06 89; 5 U 704-89

Verlängerung eines Risikolebensversicherungsvertrages: Schadenersatzanspruch wegen unterbliebener Aufklärung des Versicherungsnehmers über erneuten Leistungsausschluss bei Selbsttötung innerhalb von 3 Jahren nach Zahlung des Einlösungsbeitrags

Leitsätze

Beantragt ein Versicherungsnehmer die Verlängerung einer Risikolebensversicherung, so muss ihn der Versicherer, der einen “neuen” Vertrag abschließen will, auf die damit verbundene vorübergehende Senkung des Schutzstandards durch erneute Leistungsausschlüsse beraten. Unterlässt er das, hat er dem Bezugsberechtigten Schadensersatz in Höhe der “alten” Versicherungssumme zu leisten, wenn sich der Versicherungsnehmer nach Beginn des neuen Versicherungsschutzes, aber vor dem hypothetischen Ablauf des alten selbst tötet.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird Ziffer 1) des am 20.11.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken (12 O 121/06) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

“Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 76.693,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2005 zuzüglich Auslagen des Mahnverfahrens in Höhe von 2,55 Euro sowie einer Nebenforderung in Höhe von 916,40 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.”

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits und des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 5 % und die Beklagte zu 95 %.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Schuldnerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die jeweilige Gläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Risikolebensversicherung.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin, C. W., unterhielt zum Zeitpunkt seines Todes bei der Beklagten eine Risikolebensversicherung (Vers.-Nr. AAAAA). Dieser lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Risikoversicherung (ALB Bl. 57 d. A.) zugrunde. Die Klägerin war als Begünstigte eingetragen. Die Todesfallsumme betrug 80.000,– Euro (Bl. 15 u. 156 d. A.).

Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte bei der Beklagten bereits mit Wirkung zum 01.04.1996 eine Risiko-Lebensversicherung (Vers.-Nr. BBBBB) mit einer zehnjährigen Laufzeit abgeschlossen, so dass der Vertrag am 01.04.2006 abgelaufen wäre (Bl. 156 u. 157 d. A.). Dieser beinhaltete eine Versicherungssumme von 150.000,– DM und der jährlich zu zahlende Beitrag betrug abzüglich der Überschussanteile 363,60 DM (Bl. 15 u. 157 d. A.).

Der Versicherungsnehmer forderte die Beklagte unter dem 20.08.2003 (Bl. 65 d. A.) auf, ihm ein Angebot über die Verlängerung der alten Police um weitere zehn Jahre zu unterbreiten (Bl. 15 u. 158 d. A.). Gleichzeitig änderte er das Bezugsrecht zu Gunsten der jetzigen Klägerin, was von der Beklagten mit Schreiben vom 30.08.2003 bestätigt wurde (Bl. 54 d. A.).

Unter dem 02.09.2003 unterschrieb der Ehemann der Klägerin dann einen erneuten Antrag auf Abschluss einer Risikolebensversicherung (Bl. 18 u. 54 d. A.). In dem Antrag vom 02.09.2003 (Bl. 27 d. A.) war in dem Feld “besondere Vereinbarungen” folgende handschriftliche Eintragung enthalten (Bl. 15 d. A.):

“Der bestehende Vertrag RLV Nr. BBBBB soll hierdurch abgelöst werden.”

Die Beklagte bestätigte das Vertragsangebot mit Übersendung des Versicherungsscheins vom 13.09.2003 (Bl. 30 u. 54 d. A.).

Der Versicherungsnehmer wurde am 02.06.2005 auf einem Eimer sitzend und an einer Wand lehnend tot aufgefunden. Vor ihm auf dem Boden lag eine Pistole, aus der ein tödlicher Schuss auf den Kläger abgefeuert worden war. Der Einschuss fand im Bereich des Kehlkopfes statt. Der Austritt des Projektils erfolgte über das obere Schädeldach (Bl. 86 d. A.).

Mit Schreiben vom 31.08.2005, das mit einer Rechtsfolgenbelehrung gemäß § 12 VVG versehen war, wies die Beklagte Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssumme gegenüber der Klägerin zurück, weil deren Ehemann Suizid begangen habe (Bl. 16 d. A.).

Die Klägerin hat bestritten, dass sich ihr Ehemann selbst getötet habe. Gegen diese Annahme sprächen gewichtige Indizien (Bl. 86 f d. A.).

Die Klägerin hat ferner die Ansicht vertreten, dass selbst für den Fall, dass von einem Freitod ihres verstorbenen Ehemanns auszugehen sei, dennoch ein Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme bestehe, da der Versicherungsvertrag mehr als sieben Jahre bestanden habe und daher die Ausschlussklausel des § 9 ALB nicht eingreife. Denn der ursprüngliche Versicherungsvertrag aus dem Jahre 1996 sei durch den neuen Vertrag im Jahr 2003 nicht aufgelöst, sondern abgelöst worden (Bl. 16 d. A.). Insbesondere habe die Beklagte in ihrem Begleitschreiben zur Erteilung des neuen Versicherungsscheins nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie den Antrag ihres Versicherungsnehmers nur unter der Einschränkung oder Abänderung anzunehmen bereit gewesen sei, den alten Vertrag aufzulösen. Hierauf hätte die Beklagte besonders hinweisen müssen.

Darüber hinaus habe der Ehemann der Klägerin mit der besonderen Abrede im Antrag genügend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er lediglich die Versicherungssumme habe ändern, nicht jedoch auf den bereits erworbenen Versicherungsschutz habe verzichten wollen. Dass der Versicherungsnehmer keinen gänzlichen Rechtsverzicht habe erklären wollen, ergebe sich ferner aus der Tatsache, dass die Änderung während der Laufzeit des alten Vertrags habe einsetzen sollen. Aus alledem erschließe sich, dass der Verstorbene lediglich beabsichtigt habe, das auf DM-Beträge laufende Versicherungsverhältnis auf EURO-Werte umzustellen (Bl. 87 ff d. A.).

Auch wenn es sich tatsächlich um eine “Neupolicierung” seitens der Beklagten gehandelt hätte, stünde der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zu, weil dann schon kein “neuer” Versicherungsvertrag zu Stande gekommen wäre. Insoweit würde ein Dissens der Parteien vorliegen, der dazu führte, dass der alte Vertrag fortgesetzt werden müsste.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 80.000,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.06.2005 zuzüglich Auslagen des Mahnverfahrens in Höhe von 2,55 Euro sowie einer Nebenforderung in Höhe von 916,40 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Ehemann der Klägerin habe sich selbst getötet (Bl. 52 d. A.). Er habe sich mit einer Pistole selbst erschossen. Hinweise für eine Fremdverursachung seien nicht gefunden worden. Vielmehr deuteten alle am Tatort gefundenen Spuren darauf

hin, dass sich der Verstorbene selbst erschossen habe (Bl. 52 d. A.).

Die Beklagte hat zudem die Ansicht vertreten, dass es sich bei dem Abschluss des Versicherungsvertrags im Jahre 2003 um einen Neuabschluss gehandelt habe (Bl. 55 d. A.). Insbesondere sei auch eine erneute Gesundheitsprüfung erforderlich gewesen, wozu der Verstorbene auch umfangreiche Angaben gemacht habe (Bl. 54 f d. A.). Zudem habe die Beklagte im Schreiben vom 13.09.2003 (Bl. 74 d. A.) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit Einsetzen des Versicherungsschutzes bezüglich des neuen Vertrags der bestehende Vertrag aufgelöst werde. Eventuell zu viel gezahlte Beiträge würden dem Beitragskonto des neuen Vertrags gutgeschrieben bzw. auf das bekannte Konto überwiesen.

Mit dem am 20.11.2006 verkündeten Urteil (Bl. 123 d. A.) hat das Landgericht Saarbrücken die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 80.000,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2005 zuzüglich Auslagen des Mahnverfahrens in Höhe von 2,55 Euro sowie einer Nebenforderung in Höhe von 916,40 Euro zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Das Landgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Ehemann der Klägerin durch Suizid ums Leben gekommen sei (Bl. 156 d. A.). Nach dem von den Ermittlungsbehörden festgestellten Sachverhalt schieden andere Möglichkeiten aus. Der Ehemann der Klägerin habe sich mit einer Pistole selbst durch den Kehlkopf hindurch erschossen (Bl. 157 d. A.). Fehlerhaft sei jedoch das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Drei-Jahres-Frist des § 9 ALB nicht eingreife, weil bereits seit 1996 ein entsprechender Versicherungsschutz bestanden habe (Bl. 157 d. A.).

Bei dem auf Grund des Antrags vom 02.09.2003 abgeschlossenen Vertrag handle es sich um einen völlig neuen Versicherungsvertrag mit abweichender Versicherungssumme (80.000,– Euro statt 150.000,– DM Bl. 158 d. A.). Es liege insoweit keine Rundung des alten DM-Betrages auf von 76.693,78 Euro auf 75.000,– Euro vor. Auch sei nunmehr eine jährliche Zahlung von 216,– Euro beantragt worden und nicht wie im alten Vertrag von 363,60 DM = 185,91 Euro (Bl. 160 d. A.). Auch die Laufzeit sei eine andere gewesen (Bl. 162 d. A.).

Es sei eine erneute Gesundheitsprüfung erforderlich gewesen und der Ehemann der Klägerin habe diesbezüglich umfangreiche weitere Angaben machen müssen und gemacht (Bl. 158 f d. A.). Die Beklagte habe sämtliche Gesundheitsfragen neu gestellt (Bl. 161 d. A.). Für den neuen Vertrag sei auch unstreitig der Einlösungsbetrag in Höhe von 95,90 Euro abgebucht worden und bezüglich des alten Vertrags sei ebenfalls unstreitig ein Beitragsguthaben in Höhe von 36,71 Euro rückerstattet worden (Bl. 54 u. 159 d. A.). Ferner sei eine neue Versicherungsnummer vergeben worden (Bl. 159 d. A.). Für die Auflösung des alten Vertrags spreche auch, dass die Prämienbestände nicht miteinander verrechnet, sondern rückerstattet und neu angefordert worden seien (Bl. 159 d. A.).

Das Landgericht habe verkannt, dass der Antrag vom 02.09.2003 mit “Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung” überschrieben gewesen sei, was eindeutig auf einen Neuabschluss hindeute (Bl. 160 d. A.). Hierfür spreche auch die Formulierung, dass der alte Vertrag “abgelöst” werden solle (Bl. 161 d. A.). Die Auslegung des Antrags des Verstorbenen dürfe insoweit nicht gemäß § 5 VVG, sondern nur entsprechend dem BGB nach dem Empfängerhorizont erfolgen. Nach dem Empfängerhorizont der Beklagten habe es sich jedoch um einen Neuabschluss gehandelt (Bl. 161 d. A.). Es habe auch kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend bestanden, dass sich der Ehemann der Klägerin gleich nach Abschluss des neuen Vertrages habe umbringen dürfen (Bl. 162 d. A.).

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Landgericht habe zutreffend den Rückausschluss des § 9 Abs. 2 ALB bejaht, die Grundsätze der falsa demonstratio zugrunde gelegt und die Parteierklärungen unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts gewürdigt (Bl. 172 d. A.).

Die Erklärungen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin seien unmissverständlich darauf gerichtet gewesen, den bestehenden Vertrag gerade nicht zu beenden, sondern zu verlängern (Bl. 172 d. A.). Die Vereinbarung einer leicht erhöhten Versicherungssumme von 80.000,– Euro sei auf Grund der allgemeinen Geldentwertung veranlasst gewesen und deute nicht auf den Abschluss eines neuen Vertrages hin (Bl. 173 d. A.). Mit seinem ursprünglichen Antrag auf Verlängerung des ursprünglichen Vertrags habe der Verstorbene klar zum Ausdruck gebracht, dass er diesen gerade nicht habe aufheben wollen. Auf die Gestaltung des Antragsformulars der Beklagten habe er keinen Einfluss gehabt (Bl. 173 d. A.). Es sei in diesem Fall § 5 VVG anwendbar, die Beklagte habe jedoch auf die Abweichungen vom Antrag in der Police nicht deutlich aufmerksam gemacht (Bl. 172 u. 173 d. A.). Dies sei für den Versicherungsnehmer nachteilig gewesen (Bl. 174 d. A.).

Eine neue Gesundheitsprüfung habe nicht stattgefunden (Bl. 174 d. A.).

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 25.09.2006 (Bl. 92 d. A.) und des Senats vom 09.05.2007 (Bl. 189 d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 20.11.2006 (Bl. 123 d. A.) und die Beiakte 2363 Js 1799/06 der Staatsanwaltschaft Hannover Bezug genommen.

B.

Die Berufung ist nur in Höhe eines Betrages von 3.306,22 Euro begründet.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 1 Abs. 1 Satz 2 VVG i. V. m. § 1 ALB auf Zahlung einer Lebensversicherungssumme von 80.000,– Euro.

Dem steht § 9 Abs. 1 Satz 1 ALB entgegen. Danach besteht im Falle einer Selbsttötung vor Ablauf von drei Jahren seit Zahlung des Einlösungsbeitrags oder seit Wiederherstellung der Versicherung Versicherungsschutz nur dann, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. Dagegen bleibt der Versicherer gemäß § 9 Abs. 2 ALB bei Selbsttötung nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist zur Leistung verpflichtet.

1. Im vorliegenden Fall sieht es der Senat auf Grund der im Todesermittlungsverfahren der StA Hannover gewonnenen Erkenntnisse als bewiesen an, dass sich der Ehemann der Klägerin selbst getötet hat. Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an den entsprechenden Feststellungen des Landgerichts begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Der verstorbene Ehemann wurde am 02.06.2005 von dem Zeugen A. auf Grund einer Mitteilung der Klägerin, dass sie sich um ihren Mann Sorgen mache gesucht und tot vorgefunden. Er saß auf einem umgekippten Eimer mit dem Rücken an der Mauer angelehnt (Bl. 7 der BA. 2363 Js 1799/06 der StA Hannover). Zwischen seinen Beinen lag eine Schusswaffe mit der Mündung schräg nach links. Im Bereich des Kehlkopfs befand sich ein Einschuss- und im Bereich des oberen Schädeldachs ein Ausschussloch (Bl. 11 der BA. 2363 Js 1799/06 der StA Hannover). Es handelt sich also im Gegensatz zum Einschuss in die Schläfe um einen für einen Selbstmord mittels einer Pistole typische tötungssichere Einschusssituation. Die von der Klägerin aufgeführten Bedenken auf Grund der Gefahr des Fehlschlags des Tötungsversuchs mit nachfolgendem Siechtum war bei dieser Vorgehensweise gerade nicht von relevanter

Bedeutung. Darüber hinaus spricht der von der Klägerin vorgetragene Umstand, dass der Verstorbene Mitglied in einem Schützenverein und daher im Umgang mit Waffen geübt war, gegen die Annahme eines Unfalls beim Reinigen der Waffe. Hiergegen spricht auch, dass Waffen beim Reinigen üblicherweise nicht in einer für einen Selbstmord typischen Position vor den Hals gehalten werden.

Darüber hinaus waren Blutanhaftungen nicht nur um den Verstorbenen herum, sondern neben Schmauchspuren auch am Daumen und Zeigefinger der rechten Hand sowie an der Waffe selbst vorhanden. Auf ein Fremdverschulden hindeutende Spuren wurden nicht vorgefunden. Dies weist eindeutig darauf hin, dass der Verstorbene selbst geschossen hat.

Darüber hinaus ist auch ein Motiv für die Selbsttötung vorhanden. Die Klägerin hat im Ermittlungsverfahren erklärt, kurz vor dem Auffinden ihres Ehemannes noch mit diesem telefoniert zu haben. Sie selbst hat auf Grund dieses Telefonats vermutet, dass er sich etwas antun könnte, und daher den Zeugen A. veranlasst, nach ihm zu suchen. Neben dem Verstorbenen wurde ein Handy gefunden, was das Telefonat bestätigt. Hintergrund der Vorgänge war, dass die Klägerin dem Verstorbenen gegenüber erklärt hatte, sich scheiden zu wollen. Im Ermittlungsverfahren hat die Klägerin hierzu erklärt, sie gehe davon aus, dass ihr Ehemann die angedrohte Scheidung nicht habe überwinden können. Er habe bereits zweimal versucht, sich umzubringen. Das sei nach der ersten Scheidung gewesen (Bl. 22 der BA. 2363 Js 1799/06 der StA Hannover). Darüber hinaus habe der Verstorbene gegenüber der Klägerin erklärt, sie müsse hinsichtlich der Scheidung keine Bedenken mehr haben. Sie könne alles behalten. Bei dieser Sachlage besteht ungeachtet der Bindung zu den beiden minderjährigen Kindern aus erster Ehe sowie des Fehlens eines Abschiedsbriefs (Bl. 87 d. A.) ein sehr starkes Motiv, sich selbst zu töten.

Betrachtet man die objektiven Spuren sowie die dargestellten subjektiven Hintergründe zusammen, so ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit gegeben, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2003 VI ZR 139/02, VersR 2003, 474 (475) m. w. N.). Dass der Ehemann der Klägerin nicht durch Selbsttötung ums Leben gekommen ist, stellt dagegen eine rein theoretische Möglichkeit dar, für die absolut nichts spricht.

2. Auf Grund dieser Selbsttötung ist die Beklagte im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Satz 1 ALB nicht zur Leistung aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet. Die Selbsttötung ist innerhalb von drei Jahren nach Zahlung des Einlösungsbeitrags gemäß dem im September 2003 abgeschlossenen Vertrages erfolgt. Abzustellen ist auf diesen Zeitpunkt und nicht auf die Zahlung des Einlösungsbeitrags gemäß dem ursprünglichen, mit Wirkung zum 01.04.1996 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag. In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob der auf Grund des Antrags vom 02.09.2003 zustande gekommene Vertrag eher als Änderungsvertrag denn als eine Aufhebung des bisherigen und Abschluss eines neuen Vertrags (Novation) auszulegen ist, wofür allerdings einiges spricht.

a) Treffen Parteien eines Versicherungsvertrages von ihm abweichende Vereinbarungen, so kann es sich um eine Abänderung des bestehenden Vertrages oder aber um dessen Aufhebung und den Abschluss eines neuen Vertrags handeln (vgl. Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 3 VVG, Rdn. 7). Entscheidend für die Frage, ob das eine oder das andere anzunehmen ist, ist der Wille der Parteien, insbesondere der im Versicherungsantrag zum Ausdruck gekommene Wille des Versicherungsnehmers (vgl. Prölss, aaO., § 3 VVG, Rdn. 7). Die auf den Vertragsabschluss gerichteten Erklärungen der Parteien sind daher gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts auszulegen (vgl. OLG Köln, NVersZ 2002, 469). Dabei kann von dem Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil ein neuer Versicherungsschein ausgestellt worden ist. Jedoch kann je nach den Umständen des Einzelfalls dafür sprechen, dass ein

vollständig neuer Versicherungsantrag gestellt worden ist oder in ihrer Gesamtheit erhebliche Neuregelungen des versicherten Interesses, der Versicherungssumme, der Prämienhöhe und der Versicherungsdauer vereinbart worden sind. Jedoch muss wegen der weit reichenden Folgen der Ersetzung bestehenden Versicherungsschutzes durch einen neuen, eigenen Versicherungsvertrag ein dahingehender Vertragswille deutlich erkennbar zum Ausdruck kommen (vgl. OLG Köln, aaO; OLG Hamm, VersR 1979, 413; ÖOGH, VersR 1986, 271; Prölss, aaO.; Knappmann in Prölss/Martin, aaO, § 38, Rdnr. 4; Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 38, Rdnr. 6).

Daher genügt es für die Annahme des Abschlusses eines neuen Vertrages regelmäßig nicht, wenn unter Wahrung der Vertragsidentität lediglich die bisherige Leistungspflicht des Versicherers inhaltlich oder zeitlich erweitert wird (so wohl BGH, Urt. v. 9.12.1992 IV ZR 232/91 VersR 1993, 213, 214 unter 2; vgl. i. ü. ÖOGH, VersR 1990, 549; Prölss, aaO., § 3 VVG, Rdnr. 7 unter Hinweis auf ÖOGH, SZ 63, Nr. 64; Römer, aaO; Riedler in: Berliner Kommentar zum VVG, 1998, § 38, Rdnr. 9).

b) Im vorliegenden Fall ergeben sich bei der Auslegung der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen der Parteien gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts beachtliche Gründe, die für den Abschluss eines Änderungsvertrags sprechen.

Dagegen sprechen auch nicht die äußeren Modalitäten des Vertragsschlusses.

aa) Nicht entscheidend ist, dass das Antragsformular mit “Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages überschrieben war. Welches Antragsformular gewählt wird bzw. welche Formulierungen in diesem gebraucht werden, kann letztlich nicht den Ausschlag geben. Vielmehr ist darauf abzustellen, welcher Art die angestrebten Veränderungen der vertraglichen Beziehungen sind (vgl. OLG Köln, zfs 2002, 481 (482)). Für die Beklagte klar erkennbar war aber nicht der Abschluss eines neuen, sondern die Verlängerung des bestehenden Vertrags gewollt. Daher musste sie die Überschrift als “Antrag auf Abschluss eines Versicherungsänderungsvertrages” interpretieren. Dem Versicherungsnehmer seinerseits blieb im Übrigen nichts anderes übrig, als das ihm von der Beklagten übersandte Formular, so wie es ihm vorlag, auszufüllen, denn andernfalls musste er davon ausgehen, dass die Beklagte seinem frei formulierten Änderungsbegehren nicht stattgeben würde. Daher kann dem Ausfüllen des Formulars jedenfalls nicht der Erklärungswert beigemessen werden, er wolle nunmehr statt einer Vertragsänderung den Abschluss eines neuen Vertrages.

bb) Unerheblich ist des Weiteren der Umstand, dass unter dem 13.09.2003 ein neuer Versicherungsschein mit neuer Versicherungsnummer ausgestellt wurde. Für die Frage, ob ein bisheriger Versicherungsvertrag geändert oder durch einen neuen Vertrag ersetzt wird, kommt es nicht maßgebend darauf an, ob ein neuer Versicherungsschein ausgestellt wird. Die Ausfertigung eines neuen Versicherungsscheins spielt für sich genommen keine Rolle, denn insoweit handelt es sich lediglich um eine verwaltungstechnische Formalität, die der Versicherer einseitig bestimmt, jedoch vom Versicherungsnehmer nicht zu beeinflussen ist. Rückschlüsse auf dessen Willen beim Vertragsschluss können hieraus nicht gezogen werden (vgl. Prölss/Martin-Prölss, aaO., § 3 VVG, Rdnr. 7 unter Hinweis auf ÖOGH, SZ 63, Nr. 64; Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz, 8. Aufl., § 1 VVG, Anm. 124). Erst

recht gilt dies bezüglich der Versicherungsnummer.

cc) Auch der Umstand, dass die Beklagte in ihrem Begleitschreiben vom 13.09.2003 (Bl. 74 d. A.) erklärt hat, dass mit dem Einsetzen des Versicherungsschutzes aus diesem Vertrag der bestehende Vertrag “aufgelöst” werde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Wenn der Versicherer den bisherigen Vertrag in Abweichung von dem Antrag des Versicherungsnehmers als erloschen bezeichnet, so ist dieser Hinweis ohne rechtliche Wirkung, falls er nicht gemäß § 5 Abs. 2 VVG erfolgt und kenntlich gemacht wird. Nach dieser Bestimmung gelten Abweichungen vom Antrag als genehmigt, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins darauf hingewiesen hat, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Empfang des Versicherungsscheins schriftlich widerspricht 5 Abs. 2 Satz 1 VVG). Dieser Hinweis hat durch besondere schriftliche Mitteilung oder durch einen auffälligen Vermerk in dem Versicherungsschein, der aus dem übrigen Inhalt des Versicherungsscheins hervorgehoben ist, zu geschehen. Ferner ist auf die die einzelnen Abweichungen besonders aufmerksam zu machen 5 Abs. 2 Satz 2 VVG). Diesen Anforderungen genügt das Schreiben der Beklagten vom 13.09.2003 zweifellos nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die gewählte Formulierung sowie die Art der Gestaltung dem Erfordernis des Hinweises im Sinne dieser Vorschrift genügen. Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen Rechtsbelehrung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 VVG. Da die erforderliche Belehrung auch nicht in sonstiger Weise, zum Beispiel im Versicherungsschein, der lediglich eine Belehrung hinsichtlich der Beitragshöhe enthält (Bl. 72 d. A.), erteilt worden ist, hat die Beklagte insgesamt dem Erfordernis des § 5 Abs. 2 VVG nicht genügt. Die Genehmigung der Abweichung wird daher nicht vermutet und der Vertrag mit dem Inhalt des Antrages zu Stande (vgl. statt aller: Römer/Langheid- Römer, Versicherungsvertragsgesetz, 2. Aufl., § 5 VVG, Rdnr. 15 ff, 18).

Der Einwand der Beklagten, dass § 5 VVG deshalb nicht zur Anwendung komme, weil es sich im Hinblick auf die Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts der Beklagten um einen Neuabschluss gehandelt habe, greift nicht, denn, wie oben dargelegt, ergibt die Auslegung nach bürgerlichrechtlichen Grundsätzen gerade das Gegenteil. Daher ist der Anwendungsbereich des § 5 VVG eröffnet.

dd) Schließlich kann auch nicht auf Grund der Modalitäten der Prämienzahlung von der Auflösung des bestehenden und dem Abschluss eines neuen Vertrags ausgegangen werden.

Dies folgt zum einen nicht daraus, dass in dem Versicherungsschein (Bl. 72 d. A.) und in dem Begleitschreiben vom 13.09.2003 (Bl. 74 d. A.) ein am 01.10.2003 fälliger Einlösungsbeitrag ausgewiesen ist (Bl. 74 d. A.). Auch wenn dieser Betrag nicht ausdrücklich als Erstprämie bezeichnet wurde, ist der Passus gleichwohl der Sache nach dahingehend auszulegen, dass die Beklagte einen ersten Beitrag (Erstprämie) anfordern wollte, von dessen Zahlung gemäß §§ 35 Satz 1, 38 Abs. 1 Satz 1 VVG sowie § 2 Satz 1 ALB der Beginn des Versicherungsschutzes abhängen sollte (ähnlich: OLG Koblenz, VersR 1966, 1128). Aber auch diese

Anforderung ändert an dem Inhalt des auf der Grundlage des Vertragsverlängerungsantrags des Versicherungsnehmers zustande gekommen Vertrages nichts. Ungeachtet dessen, dass die Beklagte nicht über die Folgen der nicht rechtzeitigen Zahlung belehrt hat (vgl. hierzu Prölss/Martin-Knappmann, aaO., § 38 VVG, Rdnr. 29), ist auch insoweit § 5 VVG anwendbar. Da der Versicherungsantrag des verstorbenen Ehemannes der Klägerin als Verlängerungsantrag und nicht als Antrag auf Abschluss eines neuen Vertrages mit der Pflicht zur Zahlung der Erstprämie auszulegen war, konnte durch die hiervon abweichende Übersendung des Versicherungsscheins nur im Falle eines Hinweises mit Belehrung über das Widerspruchsrecht ein Vertrag zu den geänderten Bedingungen zustande kommen. Ein solcher Hinweis nebst Belehrung ist jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht erfolgt.

Auch aus dem Umstand, dass der bis zum Ende der bisherigen Laufzeit aufgelaufene Prämienüberschuss nicht mit den auf Grund der neuen Vereinbarung zu zahlenden Prämien verrechnet wurde, sondern eine Rückzahlung und Neuanforderung erfolgt sind, folgt schließlich nicht, dass es sich um den Abschluss eines neuen Vertrags handelte. Dies stellt ebenfalls lediglich eine verwaltungstechnische Besonderheit dar, die aus der inneren Organisation der Beklagten resultiert und vom Versicherungsnehmer in keiner Weise beeinflusst werden konnte. Aus der rein faktischen Abwicklung der Vertragsumstellung lassen sich aber keine Rückschlüsse auf den Willen des Versicherungsnehmers zur Vertragsänderung bzw. Vertragsaufhebung samt Neuabschluss ziehen.

c) Demgegenüber fällt ins Gewicht:

Zunächst hat sich der Ehemann der Klägerin mit Schreiben vom 20.08.2003 (Bl. 65 d. A.) an die Beklagte gewandt und zum einen eine Änderung der Person des Bezugsberechtigten zugunsten der Klägerin vorgenommen. Zum anderen hat er erklärt: “Unterbreiten Sie mir ein Angebot über die Verlängerung der obengenannten Police um weitere 10 Jahre.” Dabei hat er in dem Schreiben zunächst auf einen falsch bezeichneten Vertrag Bezug genommen. Ausweislich eines Vermerks auf dem Schreiben wurde jedoch am 21.08.2003 telefonisch geklärt, dass es sich um die seit 1996 bestehende Risikolebensversicherung handeln sollte. Der Versicherungsnehmer hat also klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Verlängerung des bestehenden Versicherungsschutzes und nicht etwa den Abschluss eines neuen Vertrages wünschte.

Als Reaktion hierauf übersandte ihm die Beklagten ein mit “Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung” überschriebenes Formular (Bl. 67 d. A.). Dieses füllte der Versicherungsnehmer aus und übersandte es der Beklagten. Es besteht also ein untrennbarer innerer Zusammenhang zwischen dem Schreiben vom 20.08.2003 und dem später unter dem 02.09.2003 ausgefüllten und an die Beklagte gerichteten Formular. Dieser “Versicherungsantrag” muss vor dem Hintergrund der ursprünglichen Bitte des Versicherungsnehmers auf “Verlängerung” des bestehenden Versicherungsschutzes ausgelegt werden. Unabhängig von seinem konkreten Inhalt konnte und musste die Beklagte, der ja die ursprüngliche Bitte des

Versicherungsnehmers zugegangen war, nach ihrem Empfängerhorizont davon ausgehen, dass der Antrag nur dahingehend ausgelegt werden konnte, dass in diesem nunmehr in Form diese von der Beklagten vorgegebenen Antragsformulars bestimmten Inhalts einschließlich weitergehender Erklärungen der ursprüngliche Verlängerungsantrag konkretisiert und erneut gestellt werden sollte.

Für eine Auslegung als Verlängerungsantrag spricht auch, dass zwischen dem bestehenden Versicherungsschutz und dem nunmehr angestrebten keine so gewichtigen Unterschiede bestanden, dass von einem Neuabschluss auszugehen wäre. Die Versicherungssumme betrug ursprünglich 150.000,– DM, also umgerechnet 76.693,78 Euro. Die Versicherungssumme sollte nunmehr laut Antrag 80.000,– Euro betragen. Auf Grund dieser Abweichung kann nicht von einer erheblichen Erhöhung des Versicherungsschutzes ausgegangen werden. Zwar trifft es zu, dass es sich insoweit nicht um eine Abrundung auf 75.000,– Euro handelt entsprechend der vielfach im Alltag anzutreffenden vereinfachenden Halbierung von DM-Beträgen bei der Umrechnung. Jedoch kann die Betragsänderung auch dahingehend verstanden werden, dass der “krumme” Umrechnungsbetrag großzügig nach oben aufgerundet werden sollte, etwa zum Ausgleich der inzwischen eingetretenen inflationären Wertminderung. Jedenfalls hält sich der Betrag größenordnungsmäßig im engen Umfeld der bisherigen Versicherungssumme. Dasselbe gilt auch bezüglich der Prämie, welche von umgerechnet 185,91 Euro moderat auf 216,– Euro erhöht wurde. Diese Differenz erklärt sich außer durch die geringfügige Erhöhung der Versicherungssumme auch dadurch, dass die Vertragsverlängerung bei einem höheren Lebensalter der Versicherungsnehmers beginnen sollte als der ursprüngliche Vertrag, was naturgemäß ein höheres Risiko mit sich bringt.

Schließlich kann auch aus der Formulierung “Der bestehende Vertrag soll hierdurch abgelöst werden” nicht auf eine Novation geschlossen werden. Der Begriff “Ablösung” setzt nicht notwendigerweise voraus, dass der bisherige Vertrag erlischt und ein neuer abgeschlossen wird. Ablösung kann vielmehr auch die Umgestaltung des bestehenden Vertrages unter Beibehaltung seiner Existenz bedeuten, wodurch die bisher geltenden Einzelregelungen von neuen “abgelöst” werden. Jedenfalls kann von einem juristischen Laien nicht erwartet werden, dass er einen rechtstechnisch korrekten Begriff gebraucht und sauber zwischen Auflösung und Neuabschluss einerseits sowie modifizierender Vertragsverlängerung andererseits unterscheidet. Entscheidend ist, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin in der Sache die Verlängerung des bestehenden Versicherungsschutzes wollte und dass er dies der Beklagten gegenüber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Beklagte konnte daher von ihrem Empfängerhorizont aus klar erkennen, dass mit “Ablösung” eben diese Verlängerung des Vertrags zu leicht geänderten Konditionen gemeint war.

c) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass im Rahmen des vom Ehemann der Klägerin eingereichten Versicherungsantrags umfassende Gesundheitsfragen enthalten waren, die der Versicherungsnehmer auch beantwortet hat.

Regelmäßig hat nämlich der Versicherer auch in Fällen, in denen kein neuer Vertrag abgeschlossen, sondern lediglich seine bisherige Leistungspflicht inhaltlich oder zeitlich erweitert wird, also bei

Änderungsverträgen, ein erkennbares und anerkennenswertes Interesse an der Prüfung der aktuellen Gefahrenlage. Daher hat der Versicherungsnehmer auch in diesen Fällen Anzeigeobliegenheiten gemäß §§ 16, 17 VVG (vgl. BGH, Urt. v. 09.12.1992 IV ZR 232/91, VersR 1993, 213 (214). Der Umstand, dass den Versicherungsnehmer bei einer Vertragsänderung ebenso wie bei einem Neuabschluss Anzeigepflichten obliegen, lässt demnach nicht den Schluss darauf zu, es sei ein Neuabschluss gewollt. Besondere weitere Umstände, aus denen sich eindeutig entnehmen ließe, dass sich die Risikoprüfung gerade auf das spezifische, mit einem Neuabschluss verbundene Risiko und nicht auf dasjenige eines Änderungs- bzw. Verlängerungsvertrags beziehen sollte, sind vorliegend weder vorgetragen noch erkennbar.

2. Letztlich kann jedoch die Frage eines Änderungsvertrags bzw. Neuabschlusses dahinstehen. Denn selbst wenn es sich um einen Änderungsvertrag handeln sollte, hat die Frist des § 9 Abs. 1 Satz 1 ALB mit der Zahlung des auf diesen bezogenen Einlösungsbetrages neu zu laufen begonnen.

Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut der Vorschrift. In diesem ist lediglich davon die Rede, dass Leistungsfreiheit bei Selbsttötung innerhalb von drei Jahren seit “Zahlung des Einlösungsbetrages oder seit Wiederherstellung der Versicherung” eintritt. Der Einlösungsbeitrag (Erstprämie) ist dabei der erstmals fällig werdende oder einmalige Beitrag gemäß § 2 ALB (vgl. Prölss/Martin- Kollhosser, aaO., § 8 ALB 86, Rdnr. 4), also der von mehreren Beiträgen zeitlich als erster fällig werdende Beitrag (vgl. Prölss/Martin-Kollhosser, aaO., § 1 ALB 86, Rdnr. 5). Der Senat folgt dabei nicht der Auffassung, dass es sich dabei im vorliegenden Fall nur um eine Erstprämie auf Grund des Abschlusses eines neuen Vertrages, nicht aber um eine solche auf Grund einer Vertragsverlängerung oder –fortsetzung handeln kann. Ob dies im Rahmen des Rücktrittsrechts gemäß § 38 Abs. 1 VVG bzw. der Leistungsfreiheit nach § 38 Abs. 2 VVG so zu sehen ist, kann dahinstehen. Die Klausel des § 9 Abs. 1 ALB enthält jedenfalls keine Differenzierung dahingehend, dass es sich um die Zahlung einer Erstprämie auf Grund eines neu abgeschlossenen Vertrages handeln muss. Die zweite Alternative, nämlich das Wiederaufleben des Versicherungsvertrags, belegt vielmehr, dass auch Fälle von der Klausel umfasst sind, bei denen es sich um ein identisch weiterbestehendes Versicherungsverhältnis handelt, das lediglich im Zeitablauf rechtlich modifiziert wurde. Im konkreten Fall betrifft dies die Wiederherstellung eines prämienfrei gewordenen, aber als solches weiterbestehenden Versicherungsverhältnisses (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.1954 II ZR 20/53, BGHZ 13, 226 (235 f); Prölss/Martin-Kollhosser, § 8 ALB 86, Rdnr. 7).

Die Klausel verfolgt auch einen anderen Sinn und Zweck als § 38 VVG. Durch sie wird dem Versicherungsnehmer ein über die Regelung des § 169 VVG hinausgehender Versicherungsschutz gewährt, indem Leistungsfreiheit nicht bei jedwedem Selbstmord in der Zeit des Bestehens des Versicherungsvertrags eintritt, sondern nur innerhalb der ersten drei Jahre (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.1954 II ZR 20/53, BGHZ 13, 226 (237 f); Prölss/Martin-Kollhosser, § 8 ALB 86, Rdnr. 7). Der Versicherer hat ein berechtigtes Interesse daran, davor geschützt zu werden, dass ein Versicherungsnehmer auf seine Kosten mit seinem Leben spekuliert, indem er etwa in hoffnungslos erscheinender finanzieller Lage Versicherungen abschließt, um demnächst Selbstmord zu begehen und die wirtschaftliche Lage der Hinterbliebenen zu sichern. Daher bestimmt § 169 VVG, dass in diesen Fällen der Versicherer schlechterdings leistungsfrei wird (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.1954 II ZR 20/53, BGHZ 13, 226 9237 f). In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass ein derart weitgehender Ausschluss nicht notwendig ist, weil das Vorhaben, Selbstmord zu begehen, erfahrungsgemäß nicht mehr ausgeführt wird, wenn erst eine Reihe von Jahren vergangen ist. Daher haben die Lebensversicherer in ihre

Versicherungsbedingungen aufgenommen, dass Leistungsfreiheit nur innerhalb der ersten drei Jahre eintritt (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.1954 II ZR 20/53, BGHZ 13, 226 (238)). Es liegt aber auf der Hand, dass ein solcher zeitlich beschränkter Schutz nicht nur bei einem Neuabschluss, sondern auch bei einer erneuten Risikoübernahme des Versicherers notwendig ist, etwa wenn eine erloschene Versicherung wiederhergestellt wird. Den Interessen des Versicherers wird in diesem Fall nicht nur damit Genüge getan, dass wie im vorliegenden Fall geschehen eine erneute Gesundheitsprüfung durchgeführt wird. Er muss darüber hinaus vielmehr auch in gleicher Weise wie bei einem Neuabschluss vor der Gefahr geschützt werden, dass der Versicherungsnehmer nach der erneuten Risikoübernahme Selbstmord begeht, um seinen Hinterbliebenen die volle Versicherungssumme zukommen zu lassen. Dies gilt im Falle der Wiederherstellung einer nur teilweise erloschen Versicherung auch bezüglich der Wiederherstellung des teilweise erloschenen Versicherungsschutzes (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.1954 II ZR 20/53, BGHZ 13, 226 (238)).

Nichts anderes kann gelten, wenn ein bestehender Versicherungsvertrag nicht durch einen neuen ersetzt, sondern lediglich verändert oder verlängert wird. Denn auch hierin liegt die Übernahme eines neuen Risikos durch den Versicherer und zwar auch dann, wenn die Versicherungssumme nicht oder nicht wesentlich, d. h. um ein Vielfaches, erhöht wird (vgl. zur wesentlichen Erhöhung: OLG Hamm, VersR 1978, 1063 (1064)). Schon allein dadurch, dass eine Vertragsverlängerung in einem gegenüber dem Erstabschluss fortgeschritteneren Alter vorgenommen und dadurch der Versicherungszeitraum gegenüber dem ursprünglich vorgesehenen verlängert wird, liegt eine maßgebliche Änderung des vom Versicherer übernommenen Risikos. Hierdurch wird nicht nur eine Neukalkulation der Prämien notwendig, sondern es ist auch angebracht, den Versicherer unabhängig von der technischen Abwicklung der Vertragsneugestaltung als Änderungsvertrag oder Neuabschluss vor dem Risiko der Selbsttötung des Versicherungsnehmers zu schützen (a. A. OLG Düsseldorf, VersR 1963, 1041 (1042)). Dieses Risiko besteht auch dann, wenn der Versicherungsnehmer vor Ablauf des bestehenden Vertrages ohne wesentliche Erhöhung der Versicherungssumme das Risiko jedenfalls in zeitlicher Hinsicht durch Verlängerung erhöht. In solchen Fällen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Versicherungsnehmer damit rechnet, dass sich jedenfalls innerhalb der nächsten Jahre, möglicherweise aber erst nach Ablauf des bestehenden Vertrages seine wirtschaftliche Situation derart verschlechtern wird, dass eine Selbsttötung zum Zweck der Versorgung der Angehörigen aus dem Versicherungsvertrag in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Versicherungsnehmer parallel hierzu auch die Bezugsberechtigung zugunsten der Klägerin geändert hat. In solchen Fällen aber kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Versicherungsnehmer davon ausgegangen ist, dass eine versorgungswürdige Person erstmals oder in einem höheren Maße als bisher vorhanden ist und daher nunmehr auch erstmals ein Selbstmordes in Betracht kommt.

Daher ist § 9 Abs. 1 Satz 1 ALB dahingehend auszulegen, dass erneut Leistungsfreiheit im Verlauf von drei Jahren ab der Zahlung des neuen wenn auch möglicherweise untechnischen Einlösungsbeitrags (Erstprämie) bestehen sollte.

II.

Die Klägerin hat jedoch gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 328 Abs. 1 BGB falls man von dem Abschluss eines neuen Vertrages ausgeht, i. V. m. § 311 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz in Höhe von 76.693,78 Euro.

Dies folgt daraus, dass die Beklagte den Ehemann der Klägerin auf die negativen Folgen der Vertragsverlängerung oder des Neuabschlusses im Hinblick auf den

Leistungsausschluss gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 ALB hätte hinweisen müssen.

1. Im Normalfall besteht zwar keine Pflicht des Versicherers, den Versicherungsnehmer über Einzelheiten des Versicherungsprodukts bzw. den Inhalt der Versicherungsbedingungen zu beraten. Es obliegt vielmehr dem Versicherungsnehmer selbst, sich insoweit Klarheit zu verschaffen oder ausdrücklich Rat bei einem Vermittler oder andernorts einzuholen (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1992, 948 (949); OLG Köln, VersR 1996, 1265 f; OLG Hamm, r+s 2001, 303 (304); Beckmann/Matusche-Beckmann- Präve, Versicherungsrechtshandbuch, 1. Auflage, § 10, Rdnr. 78; Prölss/Martin-Prölss, aaO., Vorbem. II, Rdnr. 11). Namentlich bedarf es keiner Belehrung darüber, dass einzelne Risiken vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind, soweit der Versicherungsnehmer hiernach nicht fragt (vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann-Präve, aaO., § 10, Rdnr. 78). Dies gilt grundsätzlich auch für Wartefristen wie diejenige gemäß § 9 ALB = § 8 ALB 86 (vgl. OLG Hamm, VersR 1988, 51; Prölss/Martin-Prölss, aaO., Vorbem. II, Rdnr. 11). Eine spontane Aufklärungs- und Beratungspflicht besteht allerdings dann, wenn ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer auf Grund schwieriger Sachverhalte und komplizierter Versicherungsbedingungen erkennbar überfordert ist, den Umfang seines Versicherungsschutzes zu erkennen oder wenn sich der Versicherungsnehmer für den Vermittler erkennbar falsche Vorstellungen über ihn macht (vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2005 IV ZR 86/04, VersR 2005, 824 (825); OLG Köln, VersR 1996, 1265 f; Beckmann/Matusche-Beckmann-Präve, aaO., § 10, Rdnr. 78; Prölss/Martin-Prölss, aaO., Vorbem. II, Rdnr. 11).

Danach musste die Beklagte den verstorbenen Ehemann der Klägerin über den Verlust des Schutzes unterrichten, den er infolge Zeitablaufs bereits erreicht hatte. Zwar ist eine Belehrung über Bedeutung und Voraussetzungen des § 9 ALB nicht stets und in allen Fällen geschuldet. Jedoch liegt die Besonderheit des vorliegenden Falls darin, dass ein Versicherungsvertrag vor seinem Ablauf entweder im Wege der Vertragsänderung oder des Abschlusses eines neuen Vertrages verlängert und dadurch auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt wurde. Im Rahmen einer solchen auf den Wunsch des Versicherungsnehmers zurückgehenden Vereinbarung stellen sich die oben erörterten komplizierten Fragen der rechtlichen Einordnung des Vertrags sowie der erneuten Ingangsetzung der Dreijahresfrist bezüglich Selbsttötungen. Es ist davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese Fragen nicht einmal ansatzweise überblicken kann und sich im Regelfall darüber hinaus noch nicht einmal bewusst machen wird, dass überhaupt rechtliche Probleme hinsichtlich des Leistungsumfangs auftreten werden. Die bloße Lektüre der Versicherungsbedingungen wird ihm hierbei nicht weiterhelfen, da diese auf den Fall des Erst- oder Neuabschlusses eines Vertrages zugeschnitten sind und lediglich Aussagen über dessen Inhalt treffen, nicht aber auf die Frage des Verhältnisses zwischen dem bestehenden und dem neuen bzw. geänderten Vertrag hinsichtlich fristgebundener Leistungsausschlüsse. Erst recht lässt sich den Bedingungen nicht ohne Weiteres entnehmen, ob der Leistungsausschluss auch auf Vertragsänderungen anwendbar ist. Hinzu kommt, dass der Versicherer die Herrschaft über die technische Abwicklung der Vertragsverlängerung hat, namentlich bestimmen kann, welche Formulare welchen Inhalts zu verwenden sind, ob eine Police mit oder ohne neue Versicherungsnummer erteilt wird und wie hinsichtlich der Beiträge zu verfahren ist.

In dieser Situation ist der Versicherungsnehmer dem Versicherer gegenüber in einer derart unterlegenen Position, dass der Versicherer verpflichtet ist, den Versicherungsnehmer über die hoch komplizierten Zusammenhänge bezüglich der Leistungsfreiheit im Falle des Selbstmordes und den Beginn des Fristablaufs zu belehren und umfassend zu beraten. Insbesondere der Versicherer, der wie vorliegend die Beklagte davon ausgeht, dass es sich um den Abschluss eines neuen Vertrags handelt und dass schon deshalb die Frist neu zu laufen beginnt, hat dies dem Versicherungsnehmer gegenüber unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen und ihn auf die hierdurch für ihn ggf. eintretenden Nachteile

hinzuweisen.

2. Unstreitig ist eine derartige Beratung nicht erfolgt. Dies ist auch schuldhaft, nämlich mindestens fahrlässig geschehen, da die Mitarbeiter der Beklagten bei Anwendung der ihnen obliegenden Sorgfalt hätten erkennen können, dass der Ehemann der Klägerin die komplizierte Problematik des erneuten Beginns der Frist des § 9 ALB im Falle der Vertragsverlängerung oder des Neuabschlusses unmöglich überblicken konnte. Sie hätten den Versicherungsnehmer daher im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss schriftlich oder fernmündlich hierüber belehren und ihm insbesondere offen legen müssen, dass sie von einem neuen Vertrag mit neuem Fristlauf ausgegangen sind.

3. Der Klägerin als der versicherten Person ist aus der Verletzung der gerade auch sie schützenden Beratungspflichten der Beklagten ein Schaden entstanden. Wie bei der Verletzung anderer Beratungspflichten besteht auch im Rahmen von Versicherungsverhältnissen eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass sich der Versicherungsnehmer beratungsgerecht verhalten hätte d. h. bei einer Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten wird vermutet, dass sich der Auftraggeber bei korrekter Beratung entsprechend dieser verhalten hätte, so dass der Schaden nicht entstanden wäre (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.1973 VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118 (120); BGH, Urt. v. 08.06.1978 III ZR 136/76, BGHZ 72, 92 (106); OLG Frankfurt, Urt. v. 28.03.2007 4 U 190/06, juris Rdnr. 18; Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Auflage, § 280 BGB, Rdnr. 39). Der Schuldner muss sich entlasten, d. h. ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich der Auftraggeber auch bei korrekter Beratung nicht anders verhalten hätte und daher auch in diesem Fall der Schaden eingetreten wäre (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO., § 280 BGB, Rdnr. 39 u. 40).

Hätte aber die Beklagte den Ehemann der Klägerin zutreffend über die zu erwartenden Nachteile im Hinblick auf die Leistungsfreiheit im Falle der Selbsttötung aufgeklärt, so hätte sich dieser beratungsgerecht dahingehend verhalten, dass er mit dem Abschluss des neuen bzw. verlängernden Vertrages noch zugewartet und diesen nicht schon ca. 2 Jahre vor Ablauf des bestehenden Vertrages, sondern erst mit Wirkung zum Ablauf des bisherigen Vertrages abgeschlossen hätte. In diesem Fall hätte zum Zeitpunkt der Selbsttötung noch der bisherige Versicherungsschutz einschließlich der Leistungsverpflichtung auch im Suizidfalle weiterbestanden. Die Klägerin könnte mithin gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 VVG i. V. m. § 1 ALB eine Versicherungsleistung verlangen.

4. Diese Leistung ist ihr als Schaden zu ersetzen. Die Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens beträgt dabei allerdings nicht 80.000,– Euro, sondern lediglich 76.693,78 Euro, denn im Falle des unveränderten Fortbestehens des alten Vertrages hätte sie nur diesen Betrag verlangen können.

III.

Dass das Landgericht den geltend gemachten Verzugsschaden (Auslagen im Mahnverfahren, Rechtsanwaltskosten) zugesprochen hat, begegnet keinen Bedenken und wird auch im Rahmen der Berufung nicht angegriffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. § 92 Abs. 2 ZPO war wegen eines Gebührensprungs bei 80.000,– Euro nicht anzuwenden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ZPO ist nicht anwendbar, da die Revision zugelassen wurde.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. gegeben sind. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n. F.) und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n. F.), da sowohl die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 ALB als auch die Frage der Beratungspflicht bei Vertragsverlängerung bzw. Abschluss eines neuen Vertrags grundsätzliche Bedeutung haben.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 80.918,95 Euro (80.000,– Euro + 2,55 Euro + 916,40 Eur