Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit eines Chirugen


OLG Köln, 19.01.1995, 5 U 242/94

Ein angestellter Krankenhausarzt (Chirurg) ist nicht berufsfähig im Sinne von BB-BUZ Heilberufe § 3, wenn er eine Vollzeitbeschäftigung im öffentlichen Gesundheitswesen – hier: im medizinischen Dienst einer Krankenversicherung – ausüben kann und tatsächlich ausübt.

Tatbestand

1
(Übernommen aus OLGR Köln)
2
Der Kläger schloß 1982 bei der Beklagten eine Lebensversicherung ab unter Einschluß einer Berufsunfähigkeitsversicherung, der die BB-BUZ für die Heilberufe der Beklagten zugrunde liegen.
3
Anfang 1991 nahm der Kläger eine Stelle als chirurgischer Oberarzt im Kreiskrankenhaus R. an. Kurz danach kam er beim Schlittschuhlaufen zu Fall und zog sich einen Handgelenkstrümmerbruch links zu, dessentwegen er längere Zeit arbeitsunfähig war. Zum Ende des Jahres 1991 beendete er einvernehmlich das Arbeitsverhältnis mit dem Kreiskrankenhaus R. und ist seitdem als Gutachter beim medizinischen Dienst der KV in B. angestellt.
4
Der Kläger beansprucht von der Beklagten eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 2 000 DM ab Oktober 1991. Er hat behauptet, er sei wegen körperlicher Beeinträchtigung zu mindestens 50 % außerstande, seinen Beruf als Chirurg auszuüben.
5
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil sich der Kläger auf die von ihm derzeit ausgeübte ärztliche Tätigkeit als Angestellter der KV in B. verweisen lassen müsse.
6
Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

7
… Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liegt nur dann vor, wenn der Kläger als Versicherter voraussichtlich dauernd außerstande ist, eine für ihn zulässige Tätigkeit als Arzt auszuüben (§ 2 Nr. 2 BB-BUZ Heilberufe). …
8
Bei der Auslegung (dieser Bestimmung) ist maßgebend auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers in dem betroffenen Versicherungszweig abzustellen (vgl. BGH VersR 1991, 417, 419), der die allgemeinen Versicherungsbedingungen aufmerksam liest und verständig unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise und unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs würdigt (vgl. BGH a.a.O.).
9
Der verständige Versicherte kann bei der Lektüre der in Rede stehenden Bedingung nicht davon ausgehen, daß die bei Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt und konkret ausgeübte ärztliche Tätigkeit versichert ist. Es kommt nach dem insoweit unmißverständlichen Wortlaut der Bedingung nämlich (nur) darauf an, ob eine Tätigkeit als Arzt – nicht die erlernte und zuletzt ausgeübte Funktion (Oberarzt, Chefarzt usw.) oder die in einem bestimmten Fachgebiet angewandte Tätigkeit (Facharzt z.B. als Chirurg) – ausgeübt werden kann. Insoweit ist der Kläger auf jede für ihn zulässige Tätigkeit als Arzt verwiesen. Der bedingungsgemäßen Definition läßt sich nicht entnehmen, daß darunter etwa lediglich eine für den Kläger zulässige Tätigkeit als niedergelassener Arzt oder Kliniker, also Krankenhausarzt, fällt. Erfaßt wird deshalb davon auch eine Tätigkeit von Ärzten z.B. im öffentlichen Gesundheitswesen (Gesundheitsämter), mithin auch von im medizinischen Dienst von Krankenkassen, die meist als öffentlich-rechtliche Anstalten oder Körperschaften organisiert sind, stehenden Ärzten, und zwar unabhängig davon, ob sie tatsächlich approbiert sind, sofern sie jedenfalls approbationsfähig sein müssen, was bei der Anstellung des Klägers ersichtlich der Fall ist. Für eine Verengung der Klausel auf eine Tätigkeit als Arzt im Sinne einer praktischen Ausübung der Heilkunde “am Patienten” bleibt danach kein Raum. Ebensowenig kann es danach darauf ankommen, ob der Kläger infolge der Ausübung einer anderweitigen für ihn zulässigen ärztlichen Tätigkeit Einkommenseinbußen erleidet. …