Urt. v. 26.05.2011, Az.: 11 O 259/09
§ 7 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 AKB
Fundstelle:
r+s 2012, 384
LG Düsseldorf, 26.05.2011 – 11 O 259/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer großen Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten für den PKW Audi A4 2.0 mit dem amtlichen Kennzeichen X eine Haftpflicht- und Kaskoversicherung.
Vom 21.06. bis 29.07.2008 hielten sich die Klägerin sowie deren Ehemann zum Urlaub bei den Schwiegereltern der Klägerin in Banja Luka (Bosnien) auf. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Kaskoentschädigung mit der Begründung, der vorgenannte PKW sei während dieses Urlaubs in Bosnien von unbekannten Tätern entwendet worden.
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor:
Der PKW Audi sei in der Nacht vom 11. auf den 12.07.2008 aus der Garage, die zum Haus ihrer Schwiegereltern gehöre, entwendet worden. Die Zeugin A habe am Morgen des 12.07.2008 gegen 6.00 Uhr bemerkt, dass das Garagentor geöffnet und der am Vorabend in der Garage abgestellte PKW der Klägerin verschwunden gewesen sein. Es hätten sich Hebelspuren im Bereich des äußeren Haustürschlosses der oberen Wohnung befunden. Die Tür selbst sei verschlossen gewesen. Weil es demzufolge offenbar misslungen sei, die Tür gewaltsam zu öffnen, dürften der oder die Täter über den seitlich rechts befindlichen Balkon bzw. die Balkontür in die oberen Räumlichkeiten gelangt sein. Die Balkontür sei wegen der hohen Außentemperaturen während der Nacht offen gelassen worden. Aus der oberen Wohnung hätten der Täter oder die Täter die Herrenhandtasche des Ehemannes der Klägerin, in der sich der Fahrzeugschein für den PKW Audi, der Führerschein der Klägerin, der Autoschlüssel, der bosnische Personalausweis, die TÜV-AU-Bescheinigung, der Radiopass/Codekarte und etwas Bargeld befunden hätten, entwendet. Da der Garagenschlüssel nicht gefunden worden sei, sei man dann – wie Aufbruchspuren an der Garage vermuten ließen – gewaltsam in diese eingedrungen, um aus der Garage den abgestellten PKW unter Verwendung der zuvor an sich genommene Fahrzeugschlüssel zu fahren.
Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs zum Diebstahlstag habe – unstreitig – 9.600,00 Euro betragen. Hiervon sei die – unstreitig – vereinbarte Selbstbeteiligung von 150,– Euro bei Ermittlung der Klageforderung abzuziehen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.450,00 Euro nebst Zinsen von 5 Prozent oberhalb des Basiszinssatzes seit dem 12.01.2009 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 275,64 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin infrage gestellt und trägt im Übrigen im Wesentlichen vor:
Sie bestreite den von der Klägerin behaupteten Diebstahl. Es spreche eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass die behauptete Entwendung des Autos lediglich vorgetäuscht worden sei. Eine erhebliche Wahrscheinlichkeit ergebe sich aus einer Reihe von feststehenden Indizien, die sie, die Beklagte, auf Seiten 4 und 8 des Schriftsatzes vom 08.10.2009 (Bl. 32 – 36 GA) im Einzelnen vorgetragen habe.
Der Ersatzanspruch der Klägerin entfalle aber auch deshalb, weil sie, die Beklagte, wegen schuldhafter Verletzung der der Klägerin nach § 7 I Nr. 2 Satz 3 AKB obliegenden Aufklärungspflicht von einer etwaigen Leistungspflicht freigeworden ist. Die leistungsbefreienden Obliegenheitsverletzungen der Klägerin ergeben sich im einzelnen aus ihrem, der Beklagten, Vortrag auf Seiten 8 bis 11 des vorgenannten Schriftsatzes (Bl. 36 – 39 GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug.
Die Kammer hat Beweis erhoben. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird gleichfalls auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Kaskoentschädigung für den von ihr behaupteten Diebstahl ihres PKW Audi in Bosnien am 11./12.07.2008 zu.
Der Klägerin ist der Nachweis eines bedingungsgemäß versicherten Diebstahls ihres PKWs nicht gelungen.
In der Kraftfahrzeugversicherung trägt der Versicherungsnehmer die Beweislast dafür, dass die versicherte Sache ihm tatsächlich entwendet worden ist. Den ihn obliegenden Beweis erbringt er in der Regel mit dem Nachweis eines Sachverhalts, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die in den Versicherungsbedingungen genannte Entwendung zulässt. Im Normalfall genügt demnach die Feststellung von Beweisanzeichen, denen hinreichend deutlich das äußere Bild eines bedingungsgemäß versicherten Diebstahls entnommen werden kann. Für den vom Versicherungsnehmer zu erbringenden Entwendungsnachweis genügt dabei die aus einem erforderlichen Mindestmaß an Tatsachen zu folgernde hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Zu diesem Mindestmaß an Tatsachen gehört, dass der Versicherungsnehmer – hier die Klägerin – das Abstellen des Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort und das Nichtwiederauffinden des Fahrzeugs zu einer bestimmten Zeit an diesem Ort nachweist.
Die Kammer unterstellt zu Gunsten der Klägerin, dass sie diesen Nachweis des Minimalsachverhaltes geführt hat.
Indessen reicht der Nachweis des Minimalsachverhaltes nicht aus, wenn der Kaskoversicherer seinerseits Tatsachen dartut und ggfls. nachweist, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Annahme ergibt, dass der behauptete Diebstahl in Wahrheit lediglich vorgetäuscht ist.
So liegt der Fall hier. Die Beklagte aufgrund einer Reihe von festsehenden Indizien nachgewiesen, dass die erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Annahme besteht, das der behauptete Diebstahl in Wahrheit lediglich vorgetäuscht ist:
Auffällig ist, dass die Angaben der Klägerin dazu, wo sich die Fahrzeugschlüssel in jener Nacht befunden haben, die dann von den Tätern entwendet worden sein sollen.
In der Klage behauptet die Klägerin, dass die Täter die Fahrzeugschlüssel, die sich in einer Herrenhandtasche in der oberen Wohnungen haben, entwendet haben Diese Behauptung widerspricht den Angaben der Klägerin gegenüber der örtlichen Polizei. Dort heißt es nämlich, dass die Fahrzeugschlüssel “von einem Tisch” entwendet wurden, wobei von einer Herrenhandtasche, in der sich die Schlüssel befunden haben sollen, nicht die Rede ist.
Verdacht erweckt auch der Umstand, dass die Klägerin und ihre Verwandtschaft in jener Nacht nach eigenem Vortrag erst gegen 4.15 Uhr schlafen gegangen sein wollen, wobei der Diebstahl des Fahrzeugs aus der Garage bereits knapp 2 Stunden später gegen 6.00 Uhr entdeckt worden sei.
Dies bedeutet, dass der Täter/die Täter die knappe Zeitspanne zwischen 4.15 Uhr und 6.00 Uhr abgepasst haben müssen, um das Fahrzeug aus der Garage zu entwenden. Schon dies erscheint ungewöhnlich.
Die Ungewöhnlichkeit wird noch dadurch gesteigert, dass keiner der in dem Haus Schlafenden – auch nicht die in dem Zimmer mit dem Fahrzeugschlüssel Schlafenden – etwas von dem Diebstahl gemerkt haben, und zwar weder von dem angeblichen Diebstahl der Fahrzeugschlüssel aus dem Zimmer vom Bügelbrett noch von dem eigentlichen Diebstahl des Fahrzeugs aus der verschlossenen Garage. In der Zeugenvernehmung vor der Kammer vermochte der Ehemann der Klägerin hierzu selber keine plausible Erklärung abzugeben. Bei der von ihm wiedergegebenen angeblichen Erklärung der örtlichen Polizei, die Täter hätten mit “Gas aus früheren Armeebeständen” unter Umständen gearbeitet, handelt es sich um eine bloße nicht nachprüfbare Spekulation.
Schließlich hat auch keiner der im Hause sich aufhaltenden etwas davon bemerkt, dass die Täter beim Herausfahren des PKW Audi aus der Garage ein gegenüber der Garageneinfahrt parkendes anderes Fahrzeug gerammt haben (sollen). Dies erscheint äußerst ungewöhnlich und wenig wahrscheinlich.
Weiteren Verdacht erweckt auch, dass die Klägerin gegenüber der Staatsanwaltschaft Wuppertal angegeben hat, dass die Garage aufgehebelt worden sei, während bei der örtlichen Polizei sowie auch im Prozess davon die Rede ist, dass das Fenster der Garage aufgehebelt wurde.
Weiteren Verdacht erweckt auch der Umstand, dass die Klägerin im Schadensformular gegenüber der Beklagten angab, dass keine Dokumente aus dem Fahrzeug gestohlen wurden. Gegenüber den Polizeibeamten vor Ort wie auch im vorliegenden Prozess gab bzw. gibt die Klägerin indessen an, dass u.a. die Fahrzeugzulassung sich in dem Fahrzeug befand und von den angeblichen Tätern mit entwendet worden sei.
Die Gesamtheit der vorstehenden Indizien – insbesondere der Umstand, dass die Klägerin und angebliche keiner der sich in der Diebstahlsnacht in dem Haus aufhaltenden Personen etwas von der Entwendung der Fahrzeugschlüssel aus dem Haus sowie der anschließenden Entwendung des PKW aus der Garage bemerkt haben will – wiegt so schwer, dass sie die Auffassung des Gericht die erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür begründen, dass der behauptete Diebstahl in Wahrheit lediglich vorgetäuscht ist.
Angesicht dessen ist es Sache der Klägerin den vollen Beweis für den von ihr behaupteten Diebstahl zu führen, etwa durch die Benennung von Tatzeugen oder gar des Täters/der Täter selber. Hierzu ist die Klägerin ersichtlich nicht in der Lage.
Mangels nachgewiesenen Diebstahl des Fahrzeugs bleibt der Klage daher der Erfolg versagt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Streitwert: 9.450,00 Euro