Haftung vor Eintragung einer GmbH


Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.01.1967, Az.: II ZR 122/64
Haftung vor Eintragung einer GmbH ins Handelsregister; Genehmigung des Handelns eines anderen; Zustimmung zur Eröffnung des Geschäftsbetriebs als “Handeln im Namen der Gesellschaft”

Rechtsgrundlage:

§ 11 Abs. 2 GmbHG

Fundstellen:

BGHZ 47, 25 – 30

DB 1967, 373 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1967, 385-386

NJW 1967, 828-829 (Volltext mit amtl. LS)

BGH, 26.01.1967 – II ZR 122/64

Amtlicher Leitsatz:Handelnder im Sinne des § 11 Abs. 2 GmbHG ist nicht, wer der Eröffnung des Geschäftsbetriebes einer zwar gegründeten, aber noch nicht ins Handelsregister eingetragenen GmbH zugestimmt hat.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 24. November 1966
unter Mitwirkung
der Bundesrichter Dr. Kuhn, Dr. Nörr, Dr. Bukow, Dr. Schulze und Fleck
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Dipl.-Volkswirts Dr. Alois Kaufmann wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm/Westf. vom 6. März 1964 aufgehoben.

Auf die Berufung dieses Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts in Essen vom 23. August 1963 insoweit abgeändert, als es ihn betrifft.

Gegenüber diesem Beklagten wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten erster Instanz und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin des ersten Rechtszuges haben die Eheleute Anni und Friedhelm Wi. zu 1/2 als Gesamtschuldner zu tragen. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen sie voll. Alle übrigen Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

1

Am 17. Juli 1962 gründeten der Beklagte und Frau Anni Wi. die W. GmbH. Gegenstand des Unternehmens sollten die Herstellung und der Vertrieb von Fertighäusern sein. Die Gesellschaft ist nicht ins Handelsregister eingetragen worden. Sie hat jedoch Bestellungen auf Fertighäuser angenommen und ausgeführt. Mit Schreiben vom 11. Dezember 1962 erteilte ihr Geschäftsführer, Alex S., der Klägerin einen Auftrag über Fußbodenarbeiten für das Fertighaus einer Frau Ki.. Der Klägerin steht hierfür ein Betrag von 7.860 DM zu. Sie verlangt diesen Betrag von Frau Wi. von deren Ehemann, der gleichfalls für die gegründete Gesellschaft tätig geworden ist, und vom Beklagten als Gesamtschuldnern. Gegen die Eheleute Wi. ist Versäumnisurteil ergangen. Die Klägerin macht geltend, der Beklagte hafte ihr nach § 11 Abs. 2 GmbHG, weil er, wie unstreitig ist, der Aufnahme des Geschäftsbetriebes zugestimmt hat.

2

Der Beklagte hält seine Inanspruchnahme für ungerechtfertigt. Er meint, sein Einverständnis mit der Geschäftseröffnung reiche für § 11 Abs. 2 GmbHG nicht aus. Er sei nur kapitalmäßig beteiligt gewesen und habe mit der Führung der Geschäfte nichts zu tun gehabt. Außerdem sei Siebert nicht befugt gewesen, einen Auftrag über 7.860 DM zu erteilen, da § 6 des Gesellschaftsvertrages bestimme, daß der Geschäftsführer Geschäfte zu mehr als 5.000 DM nur mit Zustimmung eines Gesellschafters abschließen dürfe, und diese Zustimmung nicht eingeholt worden sei. Bei dem der Klägerin erteilten Auftrag habe es sich zudem nicht um ein Geschäft gehandelt, das die Lieferung eines Fertighauses zum Inhalt gehabt habe. Denn er sei dahin gegangen, Parkett zu legen, statt den für das Fertighaus vorgesehenen einfacheren Fußboden zu verwenden. Im übrigen will der Beklagte von dem der Klägerin erteilten Auftrag erst durch die Klage erfahren haben. Die Klägerin habe dagegen von vornherein gewußt, daß ihr eine noch nicht existente GmbH gegenüberstehe.

3

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

4

Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.

5

Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

6

Nach § 11 Abs. 2 GmbHG haftet, wer vor der Eintragung einer GmbH im Namen der Gesellschaft gehandelt hat.

7

Es fragt sich, ob das allgemeine Einverständnis eines GmbH-Gründers mit der Eröffnung des Geschäftsbetriebes als ein Handeln im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden, kann.

8

Das hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Urteil des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 1955 – IV ZR 504/54 – (LM § 11 GmbHG Nr. 6) unter der Einschränkung bejaht, daß sich das vorgenommene Geschäft im Rahmen des Geschäftsbetriebes der betroffenen Gesellschaft hält (ebenso RGZ 55, 302; 70, 296; BAG NJW 1963, 680; Schilling, JZ 1955, 615 [BGH 15.06.1955 – IV ZR 304/54] Anm.; Baumbach/Hueck, AktG § 34 Anm. 3 C; GmbHG § 11 Anm. 3 A; Sudhoff, GmbH Rdsch 1965, 108 und viele andere).

9

Auf die Entscheidung des IV. Zivilsenats hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 11. Januar 1962 – VII ZR 172/62 – (WM 1962, 391, 392/93) Bezug genommen. In dem von ihm entschiedenen Fall ging es aber nicht um die vorliegend zu entscheidende Rechtsfrage, sondern darum, ob derjenige Handelnder im Sinne des § 11 Abs. 2 GmbHG ist, der sich damit einverstanden erklärt hat, daß ein Mitgesellschafter für die werdende GmbH einen Darlehensvertrag abschließt und die Darlehenssumme in Empfang nimmt.

10

Der Ansicht, schon das allgemein erklärte Einverständnis mit der Eröffnung des Geschäftsbetriebes falle unter § 11 Abs. 2 GmbHG, kann nicht gefolgt werden (Schultze-v. Lasaulx JZ 1952, 392 m.w.Nachw. in Anm. 10, MDR 1955, 729 [BGH 15.06.1955 – IV ZR 304/54]/30 Anm.; OLG Hamburg, GmbH Rdsch 1952, 138; Dregger, GmbH Rdsch 1952, 185; Scholz, GmbH Rdsch 1956, 4/5; Kuhn, WM 1956 Sonderbeilage 5 S. 9/10; Rob. Fischer, GroßKomm AktG § 34 Anm, 22 m.w.Nachw.; Pleyer, GmbH Rdsch 1961, 127).

11

Die Haftung aus dieser Bestimmung ist keine Haftung der Gründer als solcher (RGZ 55, 302, 305), denn § 11 Abs. 2 GmbHG verlangt ein Handeln im Namen der Gesellschaft. Sie ist auch keine Haftung für die Bestellung eines Geschäftsführers. Das folgt daraus, daß die Gesellschaft einen Geschäftsführer haben muß (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) und daß die Einhaltung dieser gesetzlichen Anordnung nicht zu einer Haftung führen kann.

12

Andererseits haftet aus § 11 Abs. 2 GmbHG nicht, wer das Handeln eines anderen lediglich genehmigt hat. Denn die nachträglich erteilte Genehmigung kann in keiner Weise mehr für den Abschluß des vorgenommenen Geschäfts ursächlich und damit als ein Handeln im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden (so der erkennende Senat in seinem Urteil vom 8. Juli 1957 – II ZR 347/56 – LM § 11 GmbHG Nr. 9).

13

In diesem Urteil hat der Senat auch ausgesprochen, daß, gleichviel wie man zu der hier zu entscheidenden Rechtsfrage stehe, nur der unmittelbar Handelnde nach § 11 Abs. 2 GmbHG hafte, wenn sich die Gesellschafter dahin geeinigt haben, den einverständlich eröffneten Geschäftsbetrieb nicht mehr fortzusetzen, ein Gesellschafter aber gleichwohl noch ein Geschäft in Namen der werdenden Gesellschaft abgeschlossen hat. Auch das ist, wie der Zusammenhang der Entscheidungsgründe ergibt, damit begründet worden, daß unter besonderen Umständen das widerrufene Einverständnis mangels Kausalität nicht als ein Handeln im Sinne des § 11 Abs. 2 GmbHG angesehen werden kann.

14

Diese Bestimmung erfordert zwar, wie der erkennende Senat schon in seinem Urteil vom 27. Februar 1961 – II ZR 253/59 – (BGH LM § 11 GmbHG Nr. 10) angenommen hat, kein unmittelbares Handeln in eigener Person. Aber ohne Verursachung des von einem anderen abgeschlossenen Geschäfts kann niemand als Handelnder im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden. Hierzu reicht auch nicht schon ein geringer Grad von Mitverursachung aus, wie sich daran zeigt, daß die gesetzliche Haftung aus § 11 Abs. 2 GmbHG nicht denjenigen trifft, der sich lediglich an der Gründung der Gesellschaft beteiligt hat.

15

Mit dem Sprachgebrauch ist unvereinbar, die Zustimmung zur Eröffnung des Geschäftsbetriebs als ein “Handeln im Namen der Gesellschaft” anzusehen.

16

Gegen die im Urteil des IV. Zivilsenats vom 15. Juni 1955 vertretene Auffassung spricht auch der Zweck der Vorschrift, Er besteht darin, dafür zu sorgen, daß ein Dritter, der sich auf Geschäfte mit der werdenden GmbH einläßt, einen Schuldner hat, wenn es nicht zur Entstehung der juristischen Person kommt oder sie sich weigert, die Verpflichtung aus dem Geschäft zu übernehmen. Daneben soll die Vorschrift zur Vorsicht mahnen und dazu beitragen, im Gründungsstadium den Abschluß überflüssiger Geschäfte zu verhindern und die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister zu beschleunigen (BGH LM § 11 GmbHG Nr. 10; Schlegelberger/Quassowski, AktG § 34 Anm. 6).

17

Die Schutzfunktion des § 11 Abs. 2 GmbHG verlangt nicht, diese Bestimmung auf einen Gründer auszudehnen, der sich lediglich mit der Eröffnung des Geschäftsbetriebes einverstanden erklärt und sonst keinen Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft genommen hat.

18

Der gegenteilige Standpunkt kann nur mit der vom Reichsgericht früher (RGZ 55, 302, 304; 70, 296, 301) vertretenen, dann jedoch aufgegebenen (RGZ 159, 33, 43) Ansicht erklärt werden, § 11 Abs. 2 GmbHG habe Strafcharakter. Diese Auffassung ist jedoch unberechtigt, weil der Handelnde aus dieser Haftung entlassen werden kann (Dregger, Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft, 1951, S. 103, 109).

19

Auch, daß § 11 Abs. 2 GmbHG zur Vorsicht mahnen soll, ist kein Grund, die Haftung der “Handelnden” auf denjenigen auszudehnen, der über seine Teilnahme an der Gründung hinaus bloß generell mit der Geschäftseröffnung einverstanden war. Denn die Vorschrift hat auch keine Straffunktion für nicht geübte Vorsicht (oder: für Mißachtung dieser Mahnung).

20

Es kommt auch nicht darauf an, ob der unmittelbar Handelnde wirtschaftlich in der Lage ist, den Geschäftspartner zu befriedigen. Der erkennende Senat hat allerdings in seinem Urteil vom 21. Februar 1961 – II ZR 253/59 – gesagt, der Dritte werde nicht wirksam geschützt, wenn ausschließlich der Geschäftsführer hafte und er vermögenslos sei. Hierdurch ist der Eindruck entstanden (vgl. Pleyer, GmbH Rdsch 1961, 127), der Senat habe nicht bloß auf eine Besonderheit des damals anstehenden Falles abgestellt, sondern grundsätzlich den Standpunkt vertreten, wenn kapitalkräftige Gründer einen vermögenslosen Geschäftsführer tätig werden ließen, müßten auch sie haften. Das verlangt jedenfalls § 11 Abs. 2 GmbHG nicht, denn diese Vorschrift dient nicht dazu, dem Dritten einen sicheren Schuldner zu geben, sondern dazu, ihm überhaupt einen Schuldner zu verschaffen. Es kommt daher nicht darauf an, daß die Eheleute Witthaut vermögenslos sein, sollen.

21

Reicht aber die bloße Zustimmung zur Eröffnung des Geschäftsbetriebes nicht aus, um die Haftung aus § 11 Abs. 2 GmbHG zu begründen, so ist die Klage gegenüber dem Revisionskläger abzuweisen.

22

Der IV. Zivilsenat hat auf Anfrage erklärt, daß er an seiner zu § 11 Abs. 2 GmbHG im Urteil vom 15. Juni 1955 – IV ZR 304/54 – vertretenen Auffassung nicht festhalte.

23

Der VII. Zivilsenat hat erklärt, in der Sache VII ZR 172/60 sei der Beklagte deshalb als Handelnder im Sinne des § 11 Abs. 2 GmbHG angesehen worden, weil er den Darlehensantrag selbst unterzeichnet habe, mit der Erwähnung des Urteils der Sache IV ZR 304/54 habe der Senat nur einen zusätzlichen Hinweis gegeben, auf dem sein Urteil nicht beruhe.

24

Der Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen bedarf es daher nicht.

25

Der Abweisung der Klage gegenüber dem Beklagten Dr. Kaufmann entsprechend war auch die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils abzuändern. Im übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 91 ZPO.